Die letzten zwei Jahren waren nicht einfach für die Clubszene. Doch jede krisenhafte Zeit lässt uns wachsen: Jetzt sorgen neue Teams mit neuen Ideen für frische Luft in Clubs und Kollektiven. Wir finden: genau die richtige Zeit für neue Ökoroutinen. Das Future Party Lab am 29. September hat sich dem ökologischen Reset in der Clubkultur gewidmet. Engagierte aus Nacht und Nachhaltigkeit kamen zusammen, um über klimafreundliche Routinen und nachhaltige Lösungen zu diskutieren. In den Clubs Fitzroy und Marie-Antoinette am Spreeufer haben wir einen tollen Nachmittag und Abend verbracht und uns in Workshops und Diskussionsrunden mit verschiedenen Aspekten von nachhaltiger Clubkultur beschäftigt.
Was ist eine Schwammstadt und wie können clubkulturelle Orte Teil davon sein? Darum ging es im Workshop von Verena Fehlenberg und Christian Schweer vom BUND Berlin. Das Konzept der Schwammstadt wappnet Städte vor Extremwetterereignissen wie Starkregen und lange Trockenperioden. „Städte sind sehr stark versiegelt und zugebaut und verlieren dadurch viel Feuchtigkeit, denn der Regen kann nicht im Boden versickern. Wir müssen dafür sorgen, dass wir das Wasser in der Stadt halten“, erklärt Referentin Verena. Auch Clubs werden sich langfristig an die Folgen des Klimawandels anpassen müssen. Sie können etwa dazu beitragen, dass Wasser in der Stadt gespeichert wird, anstatt abzufließen. Die Teilnehmenden des Workshops entwickelten direkt praktische Ansätze, wie das Fitzroy und Marie-Antoinette zur Schwammstadt beitragen können, zum Beispiel durch eine begrünte Fassade oder Aschenbecher vor dem Club, um zu vermeiden, dass das Grundwasser durch Kippenabfälle verseucht wird. „Das ist eine sehr kleine Maßnahme mit einer großen Wirkung“, meint Verena, denn durch eine einzige Kippe können 1.000 Liter Grundwasser verseucht werden.
Nachhaltige Lösungen von kreativen Köpfen
Ein weiterer spannender Workshop drehte sich um den kreislauffähigen Ausbau für Clubs und Festivals. Im Austausch mit den Referent*innen von Höme, Tutaka und Lunatic e.V. konnten die Teilnehmenden kreativ werden und eigene Objekte für die Einrichtung oder Dekoration entwerfen, die nach Benutzung im Kreislauf gehalten werden können. „Wir haben eine Bar aus recycelten Materialien für Festivals konzipiert. Das hat sehr viel Spaß gemacht und ich konnte mich kreativ ausleben“, erzählt Workshop-Teilnehmer Hannes vom 60 Zoll e.V.
In weiteren Workshops wurde besprochen, wie sich Naturschutz mit Open Airs vereinbaren lässt, wie man eine faire CO2-Kompensation für Clubs umsetzen kann und wie sie sich refinanzieren lässt oder wie nachhaltige Beschaffung konkret im Clubkontext aussieht. „Besonders spannend war für mich die Vernetzung mit anderen Leuten, die an den gleichen Themen arbeiten und sich auch für nachhaltiges Feiern interessieren“, berichtet Fernando Chacon von einleuchtend e.V., der auf dem Future Party Lab einen Workshop zum Thema Solarstrom auf Open Airs gegeben hat.
Ein gutes Leben für alle in der Circular City
Am Abend wurde es utopisch: Van Bo Le-Metzel, Gründer der Tinyhouse Foundation, nahm uns mit in seine Stadt der Zukunft, in die lebenswerte Circular City. Dort werden stadtplanerisch die Interessen und Bedürfnisse verschiedener Menschen mitgedacht, ohne die einzelnen Stadtviertel in pure Wohn-, Arbeits- oder Freizeitviertel zu trennen. So entstehen kurze Wege und langlebige Gebäude. Orte werden multidimensional genutzt: Clubs befinden sich unterhalb von Parks, Gärten auf den Dächern von Bahnhöfen oder Einkaufszentren. In der Circular City gibt es außerdem Wasserspeicher, die Regenwasser sammeln und in Trockenperioden für ein besseres Stadtklima sorgen. Damit das Konzept der Circular City die Lebensqualität verbessern kann, brauche es Strukturen, die verhindern, dass nur wohlhabende Menschen von dieser Stadtplanung profitieren. Van Bo Le-Mentzel argumentierte, dass eine gute Nachbarschaft von jungen, kreativen Leute lebt, die dem Viertel Diversität verleihen. Damit dies nicht zu einem Gentrifizierungs-Problem werde, schlug er einen festen Anteil an Sozialwohnungen mit bezahlbaren Mieten vor. Aktuell stehe ebenfalls das Baurecht der Planung von Circular Citys im Weg – es sei eine Frage des politischen Willens, das Konzept umzusetzen.
Über Selbstfürsorge und Respekt für FLINTA*
Wie steht es um FLINTA* in Club- und Klimaszene und was können sie voneinander lernen? Das war Thema in der zweiten Hälfte des Abends bei einer Podiumsdiskussion. Moderiert von DJ Alma Linda sprachenDJ Jess2empress, Lilia van Beukering vom Mentorinnen-Programm FemmeBassMafia und Luisa Brühne von der BUNDjugend Berlin über die Herausforderungen von Frauen, Lesben, inter, nicht-binär, trans und a-gender Personen in der Clubkultur und in der Klimabewegung. Einig waren sich die Diskutantinnen darin, dass FLINTA* meist nicht die gleiche Aufmerksamkeit und den gleichen Respekt bekommen wie männliche Mitstreiter oder Kollegen. Lilia von Beukering hat dafür ein spezielles Mentoring-Programm ins Leben gerufen, um FLINTA* sechs Monate lang als DJs auszubilden. Jess2empress betonte, wie wichtig es sei, sich selbst nicht auszubeuten und bei Aufträgen gute Bedingungen zu verhandeln.
Nachhaltigkeit wurde in diesem Sinne von den Podiumsteilnehmerinnen auch darauf bezogen, selbstfürsorglich zu sein. Alle waren sich einig, dass es anstrengend sei, Gender-Aufklärungsarbeit in Gesprächen leisten zu müssen, aber dass es ebenso notwendig sei, um Vorurteile zu durchbrechen und neue Narrative zu etablieren.
Gemeinsame Ideen für eine nachhaltige Zukunft
Eines hat sich besonders gezeigt auf dem Future Party Lab 2022: Gemeinsam entstehen die besten Ideen. „Was ich schön finde, ist das kollektive Zusammenarbeiten: Die verschiedenen Leute vernetzen und daraus eine coole, fruchtbare Zusammenarbeit schaffen“, betont Silvan Weber von der Flächenagentur Brandenburg. Wir freuen uns, dass auch dieses Jahr wieder so viele tolle Leute auf dem Future Party Lab zusammengekommen sind und ihre Motivation und Perspektiven eingebracht haben. Nun ist es an der Zeit, neue Ökoroutinen in den Clubs und auf den Veranstaltungen zu etablieren. „Der wichtigste Punkt am Ende unseres Workshops war: Wir sollten Nachhaltigkeit als Chance sehen, und nicht sagen, dass wir bestimmte Dinge nicht mehr tun dürfen“, erzählt Kira Taige von der Initiative Regional Neutral. „Mit diesem positiven Dreh können wir Nachhaltigkeit ins Team, aber auch zu den Besuchenden tragen.“